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"Darüber spricht man nicht"?

Inkontinenz: Schweigen verhindert unbeschwerten Alltag

Blasenschwäche ist ein Tabuthema. Trotz verstärkter Aufklärung scheuen sich noch immer viele Patienten ihre Blasenschwäche mit dem Arzt zu besprechen. Zahlreiche Betroffene vergeben damit die Chance auf rasche Hilfe. Denn in den meisten Fällen ist Harninkontinenz gut behandelbar. Gut vorbereitet fällt der Arztbesuch leichter.

Mann schämt sich

Harninkontinenz ist keine Seltenheit, etwa 19 Prozent der über 60-jährigen Frauen und rund zehn Prozent der über 60-jährigen Männer sind betroffen. Bei den über 80-Jährigen geht man davon aus, dass etwa 30 Prozent unter einer Form der Blasenschwäche leidet. Und auch viele Jüngere sind von Inkontinenz betroffen, verursacht zum Beispiel durch eine Beckenbodenschwäche nach Schwangerschaft und Geburt.

Und dennoch: Auch wenn man weiß, dass es viele Menschen mit dem gleichen Schicksal gibt – für die meisten Menschen ist und bleibt das Thema Blasenschwäche ein Tabu. Durch Schweigen bringen sich die Betroffenen um die Chance, ihr Problem zu beseitigen oder zumindest zu lindern. Sozialer Rückzug und ein deutlicher Verlust an Lebensqualität kann dann die Folge sein.

Natürlich gehört etwas Mut dazu, mit einem "fremden" Menschen über Blasenschwäche zu reden. Doch der Mut zahlt sich aus: Eine geeignete Behandlung kann die Harninkontinenz in vielen Fällen deutlich bessern oder sogar heilen. Und mit den richtigen Hilfsmitteln können Betroffene wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Voraussetzung dafür ist aber, dass Sie sich erst einmal einem Fachmann anvertrauen.

Untersuchung bestätigt: Blasenschwäche wird als Tabu bewertet

"Darüber spricht man nicht": Blasenschwäche ist für viele Menschen offenbar ein peinliches Thema, wie österreichische Forscher in einer Untersuchung herausfanden. Die Forscher befragten 150 Personen aus Österreich unterschiedlichen Alters und mit verschiedenen Bildungsabschlüssen. Die Teilnehmer füllten einen Fragebogen aus, wesentliche Themen waren das Wissen über und die Wahrnehmung der Harninkontinenz.

Ein Großteil der Befragten (etwa 61 Prozent) fand, dass die Blasenschwäche ein Tabuthema in ihrem Heimatland ist. Sie schätzten die Scham über die Krankheit höher ein als etwa bei einer Depression oder einer Krebserkrankung. Die Aufklärung über das Problem Harninkontinenz sollte daher mehr in den Mittelpunkt rücken, so das Fazit der Autoren. Das gilt sicherlich nicht nur für Österreich, sondern auch für Deutschland und andere Länder.

Lebensqualität leidet unter Inkontinenz

Ebenso wird die Belastung durch die Harninkontinenz von den Betroffenen hoch eingeschätzt. In einer Internetbefragung von fast 30.000 Personen gaben etwa zwei Drittel der Frauen (68 Prozent) und knapp die Hälfte der Männer (46 Prozent) an, eine Funktionsstörung der Blase zu haben. Die Betroffenen berichteten, dass die Inkontinenz ihr Alltagsleben erheblich einschränken kann. Vor allem die Dranginkontinenz, an der fast ein Viertel (22 Prozent) litt, wirkte sich offenbar noch ungünstiger auf die Lebensqualität aus als eine Belastungsinkontinenz. An der Umfrage hatten zwar eher ältere Menschen teilgenommen, aber auch Berufstätige waren unter den Befragten. Für sie wirkte sich die Harninkontinenz auch negativ auf ihren Arbeitsalltag aus.

Insgesamt empfinden Betroffene die Blasenschwäche als beschämend und manchmal auch als quälend, auch wenn sie keine Schmerzen verursacht oder äußerlich entstellt. Daraus können sich unter Umständen Angst und Depressionen entwickeln. Zudem darf man nicht vergessen, dass die Harninkontinenz auch weitere Folgen haben kann. So brechen sich viele ältere Menschen beim nächtlichen Toilettengang durch Stürze den Hüftknochen (Hüftfraktur). Das betrifft offensichtlich 30 Prozent der Patienten mit Hüftfrakturen.

Inkontinenz: Scham auf beiden Seiten vorhanden

Betroffene von Inkontinenz sind in ihrer Lebensqualität häufig eingeschränkt. Sie entwickeln zunehmend Sorge und Ängste vor dem Kontakt mit anderen Menschen. Die Ärzte wiederum spiegeln in ihrem Verhalten zum einen die Gefühle ihrer Patientinnen wider, zum anderen aber auch eigene Vermutungen. Gemeinsam ist beiden, dass sie bei dem Thema Scham empfinden und – auf beiden Seiten teilweise aus Unwissenheit – mit den Behandlungsmöglichkeiten nicht zufrieden sind.

Ein Arztbesuch bringt immer eine gewisse Aufregung mit sich. Das gilt um so mehr, wenn man ein Tabuthema zur Sprache bringen möchte. Sicherer fühlt man sich, wenn man vorbereitet ist und weiß, was auf einen zukommt. Wir haben zusammengestellt, welche Fragen der Arzt stellen wird und welche Fragen man im Gegenzug dem Arzt stellen sollte. Den kompletten Fragenkatalog gibt es hier.

Mehr Lebensqualität trotz Blasenschwäche

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Harninkontinenz kann sich negativ auf das Alltags- und Berufsleben auswirken und viele Menschen empfinden sie als peinlich. Aufklärung – insbesondere über die zahlreichen Behandlungsmöglichkeiten – ist also dringend notwendig.

Für die Betroffenen ist es wichtig zu wissen, dass es diverse Möglichkeiten gibt, die unterschiedlichen Formen der Harninkontinenz zu behandeln. So können beispielsweise bei der Belastungsinkontinenz schon konservative Maßnahmen wie Beckenbodentraining oder ein spezielles Training mit Vaginalkonen zur Stärkung der Beckenbodenmuskulatur gute Erfolge bringen. Auch Elektrostimulation, Medikamente oder in manchen Fällen operative Eingriffe werden erfolgreich bei   unterschiedlichen Formen der Blasenschwäche eingesetzt. Kann die Inkontinenz damit nicht beseitigt werden, verhelfen Inkontinenzprodukte zu einem dennoch unbeschwerten Alltag. Die Betroffenen sollten sich daher trotz aller Tabus nicht scheuen, sich bei ihrem Arzt ausführlich beraten zu lassen und gegebenenfalls auch das Gespräch in einer Selbsthilfegruppe zu suchen.

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