Es passiert beim Niesen, Husten, beim Lachen, beim Sport oder bei anderen Dingen, die den Druck im Bauchraum erhöhen: Plötzlich schießt Urin aus der Blase. Mediziner nennen diese Form von Blasenschwäche Belastungsinkontinenz.
Viele Frauen glauben noch immer, sie müssten sich mit einer Blasenschwäche arrangieren. Dabei kann sich eine Belastungsinkontinenz so verschlimmern, dass die Frauen schließlich schon bei geringem Druck im Bauchraum ungewollt Harn verlieren. Dabei ist eine Belastungsinkontinenz in den meisten Fällen gut zu behandeln – oft sogar ohne Medikamente.
Artikelinhalte im Überblick:
Was ist eine Belastungsinkontinenz?
Bei einer Belastungsinkontinenz ist der Schließmechanismus der Harnröhre beschädigt. Ursache sind oft geschwächte Beckenbodenmuskeln durch Schwangerschaft und Geburten oder durch die hormonelle Umstellung während der Wechseljahre. Daher nimmt die Häufigkeit dieser Art der Blasenschwäche ab dem dritten Lebensjahrzehnt zu.
Die frühere Bezeichnung war Stressinkontinenz, abgeleitet vom englischen Wort "stress" (auf deutsch: "Druck", "Belastung", "Anstrengung"). Da der Begriff jedoch falsche Assoziationen weckt, weil er Inkontinenz mit psychischem Stress verbindet, ersetzt ihn heute der Ausdruck Belastungsinkontinenz.
Anzeichen für Belastungsinkontinenz
Eine Belastungsinkontinenz haben vor allem Frauen: Jede zweite weibliche Betroffene von Harninkontinenz leidet unter dieser Form. Die Belastungsinkontinenz äußert sich durch folgende Symptome:
Harnverlust bei körperlicher Belastung wie Niesen, Heben, Husten, Lachen.
Der Harnverlust kündigt sich nicht durch Harndrang an.
In den meisten Fällen tritt nur wenig Urin aus.
Schweregrade der Belastungsinkontinenz
Je nach Intensität der Belastung, die zum unkontrollierten Urinverlust führt, lässt sich die Belastungsinkontinenz in drei Schweregrade unterteilen:
Grad 1: Urin wird nur bei starker Drucksteigerung im Bauchraum verloren, beispielsweise beim Husten, Niesen, Pressen, Lachen, Tragen oder Heben schwerer Gegenstände.
Grad 2: Urin wird bereits bei mäßiger Drucksteigerung verloren wie Gehen, Aufstehen, Hinsetzen, Treppensteigen.
Grad 3: Schon bei schwacher Drucksteigerung oder ganz ohne Druckanstieg (zum Beispiel im Liegen) wird Urin verloren.
Therapie der Belastungsinkontinenz durch Östrogene und Medikamente
Beckenbodentraining ist die erste Wahl zur Behandlung von Belastungsinkontinenz. Neben Übungen hat sich auch die Fußreflexzonentherapie zur Stärkung der Beckenbodenmuskeln bewährt.
In bestimmten Fällen, zum Beispiel während der Wechseljahre, kommt auch eine Therapie mit örtlich wirkenden Östrogenen infrage, zum Beispiel durch Zäpfchen oder Cremes. Sie können Inkontinenz lindern oder sogar heilen. Zudem verbessern sie die Scheidenflora und wirken dem Abbau der Vaginalschleimhaut (vaginale Atrophie) entgegen, der während der Wechseljahre und danach häufig einsetzt.
Die orale Einnahme von Hormonen dagegen bessert laut Studien die Harninkontinenz nicht. Im Gegenteil erhöht eine orale Hormontherapie das Risiko für Blasenschwäche und verstärkt unter Umständen eine bestehende Belastungsinkontinenz.
Auch der Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Duloxetin wird gegen Belastungsinkontinenz eingesetzt. Durch den Wirkstoff spannt sich der Schließmuskel der Harnröhre an, ein Druckanstieg im Bauchraum führt dann nicht mehr so schnell zum Urinverlust. Das Medikament wird nur zur vorübergehenden Behandlung empfohlen, da es Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schlaflosigkeit oder Schwindel hervorrufen kann.
Nur wenn diese konservativen Therapien keinen Effekt haben, sollte über eine Operation nachgedacht werden. Dabei werden Vaginalbänder über einen kleinen Schnitt in der Scheidenwand eingeführt und unter der Harnröhre eingelegt, mit der sie nach etwa drei Monaten vollständig verwachsen. Die Harnröhre wird dadurch gestützt und kann Druckanstiege im Bauchraum besser aushalten.
Ursachen und Risikofaktoren für Belastungsinkontinenz
- Schwangerschaft
- Geburt
- Wechseljahre
- Alter
- Hormonmangel
- Übergewicht
- dauerhaftes Husten
- schwere körperliche Tätigkeiten
- Verstopfung und Pressen beim Stuhlgang
- Bindegewebsschwäche
- Medikamente
- genetische Ursachen
Belastungsinkontinenz durch Schwangerschaft und Geburt
Oft bekommen schon junge Frauen eine Belastungsinkontinenz, etwa nach der Geburt eines Kindes. Die Belastungsinkontinenz tritt gehäuft bei Frauen auf, die vaginal entbunden haben. Doch auch Frauen, die ihr Kind per Kaiserschnitt zur Welt gebracht haben, können von einer Belastungsinkontinenz betroffen sein.
Ein genauso wichtiger Einflussfaktor ist die Schwangerschaft selbst: Der Hormonspiegel und die Lage der Organe wie Blase und Gebärmutter verändern sich während der Schwangerschaft. So werden zum Beispiel die Bänder, die Blase und die Harnröhre elastischer und dehnbarer. Zusätzlich steigt mit fortschreitender Schwangerschaft der Druck auf die Blase.
Wird der Beckenboden schon während der Schwangerschaft trainiert, ist das Risiko für eine Belastungsinkontinenz deutlich geringer.
Wechseljahre machen anfällig für Belastungsinkontinenz
Auch die Wechseljahre begünstigen die Entstehung einer Belastungsinkontinenz. Während des Klimakteriums produziert der weibliche Körper weniger Östrogen. Das liegt daran, dass die Eierstöcke langsam ihre Funktion einstellen. Die Zahl der Eibläschen nimmt ab, sie reifen oft nicht mehr vollständig heran und es kommt immer seltener zum Eisprung.
Deshalb sinkt auch die Bildung von Östrogen beständig. Das kann schon Jüngere treffen, wenn Frauen beispielsweise durch eine Krebstherapie vorzeitig in die Wechseljahre kommen.
Der sinkende Östrogenspiegel wirkt sich unterschiedlich aus: "Durch den Östrogenmangel reagiert der weibliche Körper stärker auf die reizenden Stoffe im Urin", erklärt Professorin Daniela Schultz-Lampel, Direktorin der Kontinenzzentrums Südwest am Schwarzwald-Baar Klinikum Villingen-Schwenningen. Der Harndrang nehme daher zu. Zudem steigt durch die fehlenden Östrogene der pH-Wert der Scheide. Der natürliche saure Schutzwall der Vagina, Blase und Harnröhre wird dadurch gestört; Viren und Bakterien können leichter eindringen.
Eine schlechtere Durchblutung der Schleimhäute im Genitalbereich, ebenfalls durch fehlende Östrogene verursacht, erleichtert Krankheitserregern ihr Werk. Hinzu kommt, dass das Östrogendefizit rund um die Menopause das Gewebe erschlaffen lässt. Das kann die Kraft der Schließmuskeln mindern.
Übergewicht als Ursache für Belastungsinkontinenz
Daneben gibt es einen weiteren wichtigen Risikofaktor für einen schwachen Beckenboden: Übergewicht. Ein schlaffer Beckenboden kann dem Druck, der von oben auf die Blase wirkt, nicht mehr genug entgegensetzen. Die überflüssigen Kilos erhöhen den Druck im Bauchraum und auf die Blase und fördern so den unwillkürlichen Harnabgang. Auch hier lässt sich der Beckenboden mit gezieltem Training kräftigen.
Zusätzlich entlastet Abnehmen den Beckenboden. Wer Übergewicht hat, für den ist Abnehmen nicht nur wegen des Inkontinenzrisikos sinnvoll. Viele Krankheiten werden durch Übergewicht begünstigt. In erster Linie sollte die Ernährung umgestellt und für regelmäßige Bewegung gesorgt werden.