Viele Menschen, die oft und plötzlich einen starken Harndrang verspüren, halten diese Dranginkontinenz zunächst für normal. Doch wenn es häufiger vorkommt, dass sie es nicht mehr rechtzeitig auf die Toilette schaffen, sollten Betroffene aktiv werden und ärztliche Hilfe suchen. Denn eine Dranginkontinenz und ihr naher Verwandter, die Reizblase, lassen sich erfolgreich behandeln.
Artikelinhalte im Überblick:
Was ist Dranginkontinenz?
Dranginkontinenz (auch Urgeinkontinenz, von dem englischen Wort "urge" für "Drang") ist gekennzeichnet durch einen imperativen Harndrang, also den Zwang zum Wasserlassen. Dieses Symptom tritt auch bei der überaktiven Blase (umgangssprachlich Reizblase) auf. Die Dranginkontinenz wird daher oft mit der überaktiven Blase oder Reizblase gleichgesetzt.
Die einzelnen Formen werden folgendermaßen unterschieden:
trockene überaktive Blase: keine Inkontinenz, keine körperlichen Ursachen
nasse überaktive Blase: Inkontinenz, keine körperlichen Ursachen
Dranginkontinenz: Inkontinenz mit bekannten körperlichen Ursachen
Mischinkontinenz: Mischung aus Belastungs- und Dranginkontinenz
Die körperlichen Auslöser sind bei der Dranginkontinenz demnach bekannt. Dadurch kann man nicht nur – wie bei der überaktiven Blase – die Beschwerden lindern, sondern auch die Ursachen bekämpfen.
Symptome der Dranginkontinenz
Bei Dranginkontinenz zieht sich der Blasenmuskel ohne Vorankündigung zusammen, ein plötzlicher, unkontrollierbarer Harndrang entsteht. Im Unterschied zur trockenen überaktiven Blase hat das zur Folge, dass ein Schwall Urin austritt. Die Blase muss dazu nicht voll sein, schon bei kleinen Füllmengen und mitunter mehrfach pro Stunde kann es zum imperativen Harndrang mit Urinverlust kommen.
Ein weiteres Kennzeichen der Dranginkontinenz sind mindestens acht Toilettenbesuche täglich, davon mehr als zweimal auch nachts. Insgesamt wird dabei über den Tag verteilt jedoch eine normale Harnmenge ausgeschieden.
Kommen zur Dranginkontinenz noch Harnverlust bei Belastungen wie Niesen, Heben schwerer Gegenstände, Lachen oder Husten, handelt es sich um eine Mischinkontinenz.
Ursachen der Dranginkontinenz
Im Unterschied zur Belastungsinkontinenz spielt der Beckenboden bei der Dranginkontinenz eine untergeordnete Rolle. Dafür ist der Blasenmuskel überaktiv (Detrusorhyperaktivität), aufgrund einer fehlerhaften Steuerung durch das Nervensystem: Normalerweise hemmen Nerven die Signale aus der Blase. Bei Dranginkontinenz ist diese Hemmung zu schwach.
Dahinter können verschiedene Erkrankungen stecken:
- Neurologische Krankheiten wie Schlaganfälle, Demenz, Multiple Sklerose, Morbus Parkinson, Hirntumore
- Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus
- Unfallfolgen wie Querschnittslähmung
Daher weist die Dranginkontinenz mitunter auf bestehende, aber bisher unbekannte Grunderkrankungen hin. Ist sie nicht auf eine übersensible Blasenmuskulatur zurückzuführen, steckt eine gestörte Blasenempfindung dahinter. Dann nimmt die Blase Füllsignale falsch wahr.
Ursachen dafür können sein:
- Entzündungen (interstitielle Zystitis)
- Steine in Blase oder Harnleiter
- Tumoren in der Blase oder Harnröhre
- Verengung der Harnröhre, bei Männern zum Beispiel durch eine vergrößerte Prostata
Auch manche Medikamente schwächen die Blase.
Auslöser einer Dranginkontinenz
Die Dranginkontinenz bereitet Betroffenen oft größere Probleme als die Belastungsinkontinenz, weil sie im Gegensatz zu dieser in nicht absehbaren Situationen auftritt. Oft gibt es konkrete Auslöser, die man erst kennenlernen muss. Darunter fallen häufig:
- Stress
- kalte Füße
- Wasserrauschen
- Gedanken an Harndrang
- kühles Klima
Doch auch wenn man über die auslösenden Situationen Bescheid weiß, bleibt diese Form der Harninkontinenz schwer kontrollierbar, weil plötzlich neue Auslöser hinzukommen können.
Diagnose der Dranginkontinenz
Um eine Dranginkontinenz festzustellen, werden Betroffene zunächst zu ihrer Krankengeschichte befragen. Die Fragen können sein:
Haben Sie starken Harndrang, bei dem Sie sofort auf die Toilette müssen? Oder können Sie mit dem Gang zur Toilette noch länger als eine Viertelstunde warten?
Tritt der starke Harndrang bevorzugt in bestimmten Situationen auf, zum Beispiel wenn Sie nach Hause kommen?
Kann das Geräusch eines laufenden Wasserhahns Harndrang auslösen, den Sie nicht unterdrücken können?
Verlieren Sie bei Harndrang ungewollt Harn, zum Beispiel kurz bevor Sie die Toilette erreichen?
Zudem schließt ein Stresstest aus, dass es sich nicht um eine Mischinkontinenz handelt: Betroffene müssen in verschiedenen Situationen husten oder pressen. Tritt dabei Harn aus, ist eine Belastungsinkontinenz beziehungsweise Mischinkontinenz vorhanden. Es folgen Harnblasendruckmessung (Zystometrie), Ultraschallunterschungen und gegebenenfalls neurologische Untersuchung, um die Ursachen der Dranginkontinenz herauszufinden.
Blasentraining und Medikamente gegen Dranginkontinenz
Bei der Behandlung von Dranginkontinenz verspricht eine Kombination von Blasentraining und Medikamenten gute Erfolge:
Um die Blase zu stärken, machen sich Erkrankte einen Zeitplan für ihre Toilettengänge. Er oder sie trinkt etwa alle zwei bis drei Stunden und geht 30 Minuten später aufs WC – auch wenn man nicht muss. Anfangs sind die Abstände kurz, nach und nach werden sie länger. Zudem wird ein Miktionsprotokoll geführt, in dem unter anderem die Häufigkeit der Toilettengänge sowie die abgegangene Harnmenge vermerkt werden.
Betroffene nehmen ärztlich verordnete Medikamente mit sogenannter anticholinerger Wirkung ein. Anticholinergika entspannen die sensible Blase, sodass sie nicht mehr unwillkürlich Harn ablässt. Anticholinergika gelten als gut verträglich und haben sich bei Dranginkontinenz bewährt. Es gibt mehrere Wirkstoffe aus dieser Gruppe, die sich in Nebenwirkungen und Wirkungseintritt unterscheiden.
Weitere Behandlungsmöglichkeiten bei Dranginkontinenz
Bei weiblichen Betroffenen verzeichnen auch lokal angewendete Östrogene in Form von Cremes oder Zäpfchen Erfolge. Sie erhöhen die Durchblutung der Scheidenschleimhaut und halten sie feucht. Reizungen und Entzündungen, die Dranginkontinenz und eine überaktive Blase begünstigen, werden so vermieden. Außerdem erhöhen sie die Durchblutung der Blase und die Elastizität der Blasenwand, die sich dann nicht mehr so leicht zusammenzieht.
Wirken diese Therapien nicht, gibt es andere Methoden, zum Beispiel das Einspritzen von Botox in die Blasenwand oder den Blasenschrittmacher, ein kleines Implantat.