Der Begriff "Reizblase" ist die eher umgangssprachliche Bezeichnung für das Krankheitsbild der überaktiven Blase (ÜAB) – auch bekannt unter der englischen Abkürzung OAB für "overactive bladder". Die Häufigkeit steigt mit dem Lebensalter, doch auch in jungen Jahren kann es zu entsprechenden Symptomen kommen. Frauen sind früher von den Beschwerden einer Reizblase betroffen als Männer.
Artikelinhalte im Überblick:
Symptome: Wie äußert sich eine Reizblase?
Die Reizblase ist keine bloße Alterserscheinung und sollte nicht als solche verharmlost werden, da die Beschwerden mit einem hohen Leidensdruck und einer Beeinträchtigung der Lebensqualität einhergehen können.
Folgende Symptome treten bei einer Reizblase auf:
Häufiges Wasserlassen (Pollakisurie): Innerhalb von 24 Stunden muss die Blase acht Mal oder öfter entleert werden – meist mit nur kleinen Mengen Urin.
Imperativer Harndrang: Es tritt plötzlich und ohne Vorwarnung ein starker Harndrang auf. Gegebenenfalls kommt es dazu, dass unfreiwillig Urin abgeht, noch bevor die Toilette erreicht wird (Dranginkontinenz).
Nykturie (nächtlicher Harndrang): Zwei- oder mehrmals pro Nacht wird man von Harndrang geweckt und muss die Blase entleeren.
Wer unter einer Reizblase leidet, kann in seinem Alltag stark eingeschränkt sein. Die Sorge, ständig zur Toilette zu müssen oder ungewollt Urin zu verlieren, kann Stress, Nervosität, Unruhe und Angst auslösen. Ein Teufelskreis, denn dadurch kann die Beschwerdesymptomatik wiederum verstärkt werden.
Ursachen: Wie kommt es zu einer Reizblase?
Oft liegt für die Symptome einer Reizblase keine erkennbare organische Ursache vor. In diesem Fall spricht man von einer idiopathischen Reizblase. Da aber auch verschiedene Erkrankungen die Symptome einer Reizblase hervorrufen können, müssen diese bei der Diagnose ausgeschlossen werden. Dazu gehören unter anderem:
- Harnleiter- oder Blasensteine
- Harnwegsinfekte
- Prostatavergrößerung
- Blasenkrebs
- Gebärmutter- und/oder Scheidensenkung
- Morbus Parkinson
- Multiple Sklerose
Risikofaktoren für die Entstehung einer Reizblase sind neben dem steigenden Lebensalter unter anderem Stress, Östrogenmangel, Übergewicht und Geburten.
Es wird davon ausgegangen, dass verschiedene Mechanismen bei der Entstehung einer Reizblase eine Rolle spielen. Dies können Blasenwandveränderungen wie eine Überaktivität des Detrusormuskels („Harnaustreiber“) sein, ein vermehrtes Auslösen von Harndrangimpulsen (verstärkte Afferentierung) durch die Aktivierung von verschiedenen Rezeptoren oder eine mangelhafte zentralnervöse Hemmung, bei der ein Ungleichgewicht zwischen erregenden und hemmenden Reizen besteht.
Diagnose: Ärztliches Vorgehen bei Verdacht auf Reizblase
Wer Symptome einer Reizblase zeigt, sollte ärztlichen Rat einholen. Es besteht kein Grund zur Scham! Als erste Anlaufstelle kann die hausärztliche Praxis des Vertrauens dienen, ebenso gynäkologische oder urologische Praxen.
Zur Diagnostik bei Symptomen einer Reizblase können folgende Verfahren dienen:
Anamnese zur Erfassung der individuellen Krankheitsgeschichte
Miktionsprotokoll, um die Häufigkeit des Wasserlassens und die Urinmenge zu protokollieren und diese anschließend objektiv beurteilen zu können.
Körperliche Untersuchungen, damit Lageveränderungen festgestellt werden können.
Analyse des Urins, um Harnwegsinfektion auszuschließen.
Ultraschalluntersuchung der Harnwege, um die Organe zu betrachten.
Blasenspiegelung als weiterführende Untersuchung – etwa bei dem Verdacht auf Blasentumore
Urodynamik als weiterführende Untersuchung, um die Harnblasenfunktion zu überprüfen.
Therapie: Wie wird eine Reizblase behandelt?
Für die Behandlung der überaktiven Blase ist eine Stufentherapie vorgesehen. Das bedeutet, die Therapie richtet sich nach dem Schweregrad. Wenn eine Therapiemaßnahme keine oder nur eine unzureichende Wirkung zeigt, kann die nächste Stufe erforderlich werden.
Mögliche Therapien bei Reizblase:
Verhaltenstherapie: Bei einem Toilettentraining geht es darum, dem unwillkürlichen Harnverlust zuvorzukommen, indem der Entleerungsrhythmus an die individuelle Blasenkapazität angepasst wird. Beim Miktionstraining soll der Beckenboden angespannt werden, wenn der Harndrang auftritt, um die Intervalle der Blasenentleerung zu verlängern. Das Training richtet sich nach dem individuellen Miktionsprotokoll und sollte unter fachkundiger Anleitung erfolgen.
Physiotherapie: Durch gezieltes Beckenbodentraining soll die Beckenbodenmuskulatur gestärkt werden. Dies kann in Gruppen- oder Einzelsitzungen stattfinden und erfordert zusätzlich meist tägliches Training zu Hause. Elektrostimulations- und Biofeedbackgeräte können zur Therapie der überaktiven Blase ebenfalls zum Einsatz kommen.
Medikamente: Bei Frauen mit Östrogenmangel – wie etwa nach der Menopause – kann eine lokale Östrogenisierung durch die Verabreichung von Salben oder Zäpfchen sinnvoll sein. Bei den Beschwerden einer Reizblase kommt außerdem die Gabe von Anticholinergika infrage. Diese Medikamente hemmen unter anderem die Kontraktionen des Blasenmuskels. Bekannte Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit, Verstopfung und Herzrhythmusstörungen. Bei älteren Menschen mit Demenz können die Medikamente eine Verstärkung der kognitiven Beeinträchtigungen bewirken.
Botox bei überaktiver Blase: Das Nervengift soll die Signalübertragung in der Blasenmuskulatur hemmen, damit sich dieser nicht mehr so stark zusammenzieht und die Häufigkeit der Blasenentleerungen abnimmt. Dazu wird Botulinum-A-Toxin an mehreren Stellen über ein minimalinvasives Verfahren in die Blasenwand injiziert. Die Wirkung tritt innerhalb von 14 Tagen ein und hält etwa sechs bis neun Monate an – danach muss die Behandlung erneut durchgeführt werden. Selten kann ein Harnverhalt als Nebenwirkung auftreten, bei dem der Urin nicht mehr abgelassen werden kann und ein Katheter erforderlich wird.
Blasenschrittmacher: Bei der sakralen Neuromodulation – wie das minimalinvasive Verfahren in der Fachsprache genannt wird – geht es darum, die Nerven der Blase und der Blasenmuskulatur zu stimulieren. Dazu werden Elektroden im Bereich des Kreuzbeins unter der Haut implementiert. Der Blasenschrittmacher kann in Betracht gezogen werden, wenn alle konservativen Methoden zur Behandlung der Reizblase keine Wirkung zeigen, um Betroffenen wieder einen unbeschwerten Alltag zu ermöglichen.
Operative Therapien: Wenn keine andere Therapie anschlägt und der Leidensdruck unverändert hoch bleibt, können als letzte Möglichkeit operative Eingriffe bei einer Reizblase erwogen werden. Dazu zählt zum Beispiel die Blasenaugmentation (Harnblasenerweiterung), ein Harnblasenersatz oder eine Harnableitung.