Auch Männer sind vor einer Blasenschwäche nicht gefeit. Vor allem dann nicht, wenn sie unter einer gutartigen Prostatavergrößerung leiden. Die benigne Prostatahypertrophie, kurz BPH, ist eine der häufigsten Erkrankungen des Mannes und tritt in der Regel zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auf.
Junge Männer können dagegen unter einer Entzündung der Vorsteherdrüse leiden, die eine leichte Inkontinenz mit sich bringen kann. Auch ein schwacher Beckenboden und Operationen an der Prostata kommen als Ursache für unkontrollierten Harnverlust bei Männern in Betracht.
Inkontinenz bei älteren Männern durch Prostatavergrößerung
Die Prostata (Vorsteherdrüse) liegt unterhalb der Blase und umschließt die Harnröhre. Der Name sagt es: Eine gutartige Prostatavergrößerung ist ungefährlich und bei Männern über 50 keine Seltenheit. Die Gründe dafür sind noch nicht eindeutig geklärt. Mediziner vermuten, dass das Wachsen der Prostata mit der nachlassenden Produktion des männlichen Sexualhormons Androgen zusammenhängt.
Eine vergrößerte Prostata wird zum Abflusshindernis für den Urin. Selbst nach dem Wasserlassen bleibt noch Urin in der Blase zurück – der Restharn. Allmählich füllt sich die Blase wieder. Übersteigt der Druck in der Blase den "Gegendruck", den die vergrößerte Prostata auf die Harnröhre ausübt, geht unwillkürlich etwas Urin ab. Die Blase läuft förmlich über.
Weitere Folgeerscheinungen einer vergrößerten Prostata können häufiger Harndrang (auch nachts) und das Gefühl der unvollständigen Blasenentleerung sein. Der Beginn des Wasserlassens verzögert sich, der Harnstrahl ist schwächer und bricht zwischendurch vielleicht sogar ab. Der Harnstau aufgrund einer Prostatavergrößerung kann sich sogar bis auf die Nieren erstrecken und das Nierengewebe schädigen.
Inkontinenz durch Schäden nach Prostata-OP
Wird die Prostata zu groß, muss sie gegebenenfalls operiert werden. Dabei kann es zu Verletzungen des Schließmuskels der Blase kommen. Die Folge: unkontrollierter Harnverlust. Nur zwei bis fünf Prozent aller Operierten erleben diese Komplikation. Die Inkontinenz kann auch ohne operativen Eingriff oder nervliche Schäden entstehen.
Für eine "Überlaufblase" kann auch ein schwacher Detrusor verantwortlich sein. Der Detrusor ist der Muskel, der die Blase beim Wasserlassen zusammenzieht. Manche Medikamente, aber auch psychische Ursachen, Nervenfunktionsstörungen infolge von Erkrankungen (Diabetes mellitus, Morbus Parkinson, Schlaganfall) oder auch Alterserscheinungen ("Altersblase") können den Detrusor schwächen.
Dranginkontinenz oder Prostatavergrößerung?
Unter der Dranginkontinenz versteht man häufigen, schier nicht beherrschbaren Harndrang, der oft zu einem unfreiwilligem Harnabgang führt. Bis zu 80% aller männlichen Inkontinenz-Patienten leiden unter dieser Form. Die Fachärzte sprechen auch von einer Urge-Inkontinenz oder einer "überaktiven Blase". Natürlich gibt es auch Mischformen aus beidem.
Ob es sich bei der Inkontinenz bei Männern um Dranginkontinenz oder Prostatavergrößerung handelt, kann ein Blick auf die Probleme beim Urinieren klären. Typische Anzeichen einer gutartigen Prostatavergrößerung sind häufiger Harndrang am Tag und in der Nacht.
Gleichzeitig leiden betroffene Männer unter Startschwierigkeiten beim Wasserlassen. "Der Harnstrahl ist abgeschwächt", erklärt Urologin Daniela Schultz-Lampel, Leiterin des Kontinenzzentrums Südwest am Klinikum Villingen-Schwenningen. "Es dauert, bis er in Fahrt kommt und tröpfelt nach." Meist entleert sich die Blase nicht komplett.
Anders bei einer Dranginkontinenz. Hier äußert sich der Harndrang tagsüber, nicht nachts. Der Urinstrahl ist sehr gut. Die Harnmenge eher klein. Kein verzögertes Wasserlassen, kein Nachtröpfeln, kein Restharn in der Blase. Bei einer Dranginkontinenz ist die Blase überaktiv. Sie entleert sich, obwohl sie noch nicht voll ist.
Dies geschieht, weil sich die Muskeln in der Blasenwand plötzlich krampfartig zusammenziehen. Als Ursachen für eine Dranginkontinenz kommen verschiedene Dinge in Betracht: Entzündungen in der Blase oder Harnröhre, fortgeschrittenes Alter oder Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Morbus Parkinson oder Schlaganfall.
Diagnose der Prostatavergrößerung
Um zu klären, welche Ursache plötzlicher Harnabgang hat, bittet der Arzt den Patienten unter anderem, seine Toilettengänge zu protokollieren. Dabei soll er festhalten, ob er nachts oder tags muss und wie groß die Urinmenge ist. Um einer Prostatavergrößerung auf die Spur zu kommen, steht Urologen der Internationale Prostata-Symptomen-Score (IPSS) zur Verfügung.
Der Test besteht aus sieben Fragen, die auf einer Scala von "niemals" bis "fünfmal und mehr" beantwortet werden müssen. Der Arzt erhält so Aufschluss über die Schwere der Erkrankung. Stellt er eine Prostatavergrößerung als Ursache des unfreiwilligen Harnabgangs fest, behandelt er diese zuerst. Tritt danach keine Besserung ein, wird er nach weiteren Gründen forschen.
Operation bei Prostatavergrößerung
Grundsätzlich gilt: Wer Anzeichen einer Prostatavergrößerung bemerkt, sollte so früh wie möglich einen Urologen aufsuchen. Er kann durch Austasten des Enddarms mit dem Finger feststellen, ob die Vorsteherdrüse vergrößert ist. Muss eine BPH behandelt werden, geschieht dies je nach Schwere unterschiedlich. Zunächst setzt der Arzt Medikamente ein. Diese bewirken, dass die Muskulatur der Prostata erschlafft und hemmen ihr Wachstum.
Im fortgeschrittenen Stadium ist eine Operation meistens unumgänglich. Mit einer elektrischen Schlinge kann ein Großteil der Prostata über die Harnröhre entfernt werden. Bei besonders großen Drüsen oder gleichzeitig vorliegenden Blasensteinen operieren Chirurgen auch vom Bauchraum aus.
Dranginkontinenz bei Männern gut behandelbar
Um die Dranginkontinenz zu behandeln, setzt der Urologe auf eine kombinierte Therapie von Blasentraining und Medikamenten, die die Blase entspannen und den Harndrang lindern.
Gegen die überaktive Blase beim Mann helfen Medikamente, die die Blasenwand entspannen und das Volumen der Blase somit erhöhen (Anticholinergika). Auch Antidepressiva, die ebenfalls auf die Blasenmuskulatur wirken, kommen zum Einsatz. In Fällen, in denen die Prostata eine Rolle bei der Entstehung der Inkontinenz spielt, sind ebenfalls gut wirksame Medikamente auf dem Markt (alpha-1-Rezeptorblocker, 5-alpha-Reduktase-Hemmer). Zudem sollten begleitende Therapien wie Beckenbodentraining oder das Biofeedback-Verfahren mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.
Besonders bei leichten bis mittelschweren Fällen kann die Beckenbodenmuskulatur mit einer Elektrotherapie gekräftigt werden. Ob und für wen sich diese Art der Behandlung eignet, muss wieder der behandelnde Arzt entscheiden. Schlussendlich bleibt in hartnäckigen Fällen auch die Möglichkeit einer Operation, falls das Leiden durch einen schwachen Schließmuskel bedingt ist. Entweder kann der Schließmuskel durch Unterspritzung aufgepolstert oder durch eine Prothese verstärkt werden. 90 Prozent aller Inkontinenz-Fälle sind heute schon heilbar. Die schwache Blase ist also kein Schicksal mehr.
Blasentraining bei männlicher Inkontinenz
Patienten mit Dranginkontinenz oder überaktiver Blase können von einem Blasentraining profitieren, bei dem die Toilettengänge in festgelegten Abständen eingehalten werden. Die Intervalle werden nach und nach verlängert. Auf diese Weise lernen Betroffene, den Harndrang wieder zu beherrschen.
Mehr zum Thema Blasentraining erfahren Sie hier.
Die Trinkmenge sollte bei Inkontinenz nicht reduziert werden! Die Blasenwand besteht aus einer Muskelschicht. Und jeder dieser Muskeln will trainiert werden! Durch zu weniges Trinken und die geringe Blasenfüllung sinkt das Fassungsvermögen der Blase nach und nach ab. Das Harndrang-Problem verschlimmert sich somit.
Bei jungen Männern: Nachtropfen als Folge einer Prostata-Entzündung
Bei jungen Männern um die 30 wird hin und wieder eine milde Form der Inkontinenz diagnostiziert. Das so genannte "Nachtropfen" ist Folge einer Prostata-Entzündung. "Die Betroffenen leiden unter einer Reihe von Symptomen", erklärt Dr. Mark Schrader, Chefarzt der Urologie am Helios Klinikum Berlin. "Das Nachtropfen wird von den meisten Männern als eines der Hauptprobleme empfunden."
Die Inkontinenz dient in diesen Fällen mehr ein Warnsignal, das auf eine andere Erkrankung hinweist. Oft liegt die Ursache für die Harninkontinenz in einer schwachen Muskulatur am Beckenboden.
Andere Formen der Inkontinenz wie die im Alter öfter auftretende Drang- oder Überlaufinkontinenz sind in jungen Jahren eher die Ausnahme.
In vielen Fällen hilft die Umstellung auf eine gesündere Lebensweise das Leiden zu mildern. Bei Übergewicht kann eine Gewichtsreduktion durch eine gesunde, fettarme Ernährung und regelmäßigen Sport sinnvoll sein. Geeignet sind Ausdauersportarten wie Walken (strammes Marschieren, ohne aus der Puste zu geraten). Nicht fehlen im Sportprogramm darf das Beckenbodentraining.
Harninkontinenz für Männer oft Tabuthema
Nicht nur der unkontrollierte Harnverlust belastet die Betroffenen. In Folge entstehen oft Begleiterkrankungen, zum Beispiel Hautveränderungen durch die häufige Nässe. Am schlimmsten ist für viele Männer aber die ständige Angst: Angst vor Geruch, Angst, dass jemand die Einlagen in der Unterwäsche entdeckt, Angst, dass die Kollegen oder Angehörigen mit Unverständnis oder Hohn reagieren könnten.
Im Volksmund gilt die Blasenschwäche noch immer als "Frauenkrankheit". So wird dieses medizinische Problem vor allen von den betroffenen Männern viel zu oft verheimlicht oder als unabänderliches Schicksal hingenommen. Dabei kann in sehr vielen Fällen durch fachgerechte Hilfe eine deutliche Besserung, wenn nicht sogar Heilung erreicht werden.